Der Ochsen. Ein Kapitel Marbacher "Wirtschafts-Geschichte"
Eine lange Geschichte hat der "Ochsen" in Marbach. Eine Geschichte, die allerdings erst in den letzten einhundert Jahren buchstäblich "Wirtschafts-Geschichte" ist. Und doch hat das Gasthaus schon lange vorher zur Wirtschaftsgeschichte der Oberamtsstadt beigetragen.
Bereits um 1700 wird das Gebäude in alten Urkunden als "eine Behausung vor dem Wicklinsthor, dem Georg Friedrich Mezger, Rothgerber, eigen" in der Ecklage zum Alten Markt nachgewiesen. Eine Gerberei also als Teil der vom Wasser des hier vorbeiziehenden Strenzelbach abhängigen Gewerbeansiedlung außerhalb der von Mauern befestigten Stadt. Gerbereien und Färbereien prägten dieses frühe Marbacher "Industriegebiet" in der nördlichen Vorstadt und noch im 18. und 19. Jahrhundert wird in den Marbacher Steuerbüchern der "Ochsen" weiterhin beschrieben als "Behausung worunter ein halbgewölbter Keller, Scheuer und Stallung als an und beyeinander... mit Farbhaus... zunächst an diesem Haus."
Die eigentliche "Wirtschafts-Geschichte" des zweigeschossigen und für seine Zeit typischen Hauses beginnt erst im Jahre 1890, als das Gebäude in den Besitz von "Andreas Hoß, Mezger und Wirth" übergeht, der es erstmals in der mittlerweile 200jährigen Geschichte zu einer "Wirtschaft mit Mezgerladen" umbauen läßt. Hierbei erhält der "Ochsen" denn auch sein bis auf den heutigen Tag bekanntes Gesicht mit den typischen kleinen, anheimelnden T-Stockfenstern.
1909 wird das Erdgeschoß wiederum umgestaltet: Unter dem "Ochsenwirt Nesper" wird der Metzgerladen an den Südgiebel des Hauses verlegt, der Schankraum so nach Norden vergrößert und durch den Umbau der ehemaligen Stallungen eine Küche, ein Schlachthaus sowie ein Nebenzimmer hinzugewonnen. So bleibt der "Ochsen" auch unter seinen neuen Besitzern, Metzgermeister Friedrich Hettich und - seit 1955 - dem legendären "Ochsen-Karle" Karl Oetinger weitgehend erhalten. Die Metzgerei wird 1986 zwar geschlossen; das Gasthaus "Zum Ochsen" aber bleibt erhalten als "ein wichtiges Beispiel eines Gebäudes aus der Zeit um 1700 sowie für den Typus einer Schankwirtschaft aus der Zeit um 1900... ein Kulturdenkmal aus wissenschaftlichen Gründen." So formuliert es das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg.